Die Digitalisierung ist für Wirtschaft, Industrie und Privathaushalte das große Thema der letzten Jahre, doch in den Schulen scheint die Digitalisierung bisher eher stiefmütterlich behandelt worden zu sein.
Die COVID-Krise und die damit einhergehenden Veränderungen beim Präsenzunterricht haben einige Lücken für die Augen der Öffentlichkeit erst jetzt offenbart. Doch wie steht es in Schulen tatsächlich um die Digitalisierung? Unser Überblick zeigt Stärken, Schwächen und Perspektiven der digitalen Schule auf.
Digitalisierung in der Schule – Ausstattung, Ideen und Vergleiche
Im vergangenen Jahr rückte die digitale Bildung in deutschen Schulen verstärkt in den Fokus, doch bereits in den Bildungsberichten der Europäischen Union der vorigen Jahre wurde Digitalisierung stärker thematisiert. Gilt der Breitbandausbau, die Vernetzung und die Digitalisierung vielen Kritikern generell als wunder Punkt der deutschen Regierung, so konnte der EU-Bildungsreport diesen Eindruck eher bestätigen als widerlegen: Nur rund neun Prozent aller Schüler/Innen bundesweit besuchen eine digital gut vernetzte Schule (Stand 2017/18). Im europäischen Durchschnitt sind es rund 35 Prozent, eine klaffende Lücke also.
Während der COVID-Krise bleibt nur rund ein Drittel des Lehrpersonals in regelmäßigem Kontakt mit den Klassen, rund zehn Prozent haben wenig oder gar keinen digitalen Kontakt.
Doch nicht nur Schulen und Lehrer schneiden schlecht ab, auch den Schüler/Innen selbst mangelt es an grundlegenden Kenntnissen. Rund ein Drittel besitzt nur unterdurchschnittliche Fertigkeiten im Umgang mit Basisprogrammen, das wiederum ist mit Ländern wie Frankreich oder Italien durchaus vergleichbar. Dort ist es um die Grundkenntnisse der Schüler/Innen häufig sogar noch schlechter bestellt.
Wie die Saumseligkeit des Bildungssystems in Krisen zu einem waschechten Strukturproblem werden kann, offenbarte der Mangel an Online-Lernplattformen. Nur rund 33 Prozent aller Schüler/Innen hatten vor Beginn der Krise Zugang zu einem digitalen Lernmanagementsystem, Spitzenländer wie Dänemark, Singapur oder das urbane China kommen hier auf Werte um die 90 Prozent.
Generell hinkt Deutschland hinterher. Bildungsforscher Michael Kerres etwa berichtet der Tagesschau (14.08.2020) von Lehrern ohne dienstliche E-Mail-Adresse und fehlenden Lernplattformen im Netz. Das ist in den meisten Industrienationen unvorstellbar.
Digitalisierung als Versprechen – der komplexe Prozess vernetzter Schulen
Finanziell sind die deutschen Schulen auf dem Papier gut ausgestattet. Dafür sorgt der DigitalPakt Schule und den gibt es nicht erst seit der Coronakrise. Bereits 2018 stellten Bund und Länder Gelder mit einem Gesamtfördervolumen von rund 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung (5 Milliarden durch den Bund, 500 Millionen durch die Länder). Durch die veränderten Rahmenbedingungen der Kontaktbeschränkungen wurde dieses Paket noch einmal um eine Milliarde aufgestockt.
Die neue Fördersumme soll zu gleichen Teilen in Endgeräte für Homeschooling und die Verwaltung der Systeme in den Schulen selbst fließen.
Die stockende Digitalisierung liegt nicht an den zur Verfügung stehenden Mitteln, sondern an deren Abruf. Bis Ende Juni 2020 war gerade einmal eine Summe von 15,7 Millionen Euro in die Kassen der Länder übergegangen, weitere bewilligte Anträge beliefen sich bis zum Herbst auf etwa 250 Millionen Euro – eine im Vergleich zur Förderung immer noch desaströs niedrige Summe.
Die Antragstellung, so die Schulen, sei zu bürokratisch ausgefallen. Die benötigten Medienbildungskonzepte sollen sicher stellen, dass Schulen wissen, in welche Technik sie investieren wollen und wie diese pädagogisch genutzt werden soll. Das braucht allerdings Zeit, denn die Konzepte müssen erst geschrieben und schließlich bewilligt werden. Zumal Schulen hier nicht alleine als Bildungsinstitute agieren können. Der DigitalPakt ist gestaffelt und zahlt zunächst für leistungsfähige Server, dann für LAN- und WLAN-Konzepte und dann erst für vernetzte Whiteboards, Laptops und Tablets.
Selbst mit bewilligten Konzepten stehen viele Schulen allerdings vor einem weiteren Problem: dem Anschluss. Ohne Breitbandanschlüsse helfen auch ausgearbeitete Medienbildungskonzepte wenig.
Auch die konkreten Summen, die der DigitalPakt für die Vernetzung mit mobilen Endgeräten zur Verfügung stellt, sind unzureichend. Pro Schule stehen Mittel in Höhe von 25.000 Euro für Laptops und Tablets zur Verfügung. Der Grund: Die digitale Einzelausstattung sollte der DigitalPakt eigentlich nicht finanzieren.
Auch an der Infrastruktur fehlt es. Es gibt schlicht nicht genug Firmen, die die Schulen überhaupt vernetzen könnten und alle Aufträge müssen nach europäischem Vergaberecht ausgeschrieben werden. Da Schulen aber zunächst die Server und Anschlüsse benötigen, ehe weitere Mittel aus dem DigitalPakt abgerufen werden können, scheitert es vielerorts bereits beim ersten Schritt der praktischen Digitalisierung.
Allerdings dauert der Vorgang nicht an allen Stellen so lang, die Corona-Fördermittel sind schneller bei den Schulen angekommen und konnten viele klaffende Wunden zunächst stopfen. So erhielten beispielsweise in Berlin bedürftige Schüler/Innen aus Senatsmitteln Tablets, einige Länder haben die Vernetzung ihrer Schulen zunächst in Vorleistung bezahlt.
So lässt sich unter dem Strich durchaus festhalten, dass die COVID-Krise an vielen Stellen eine beschleunigende Wirkung hatte und die notwendigen Weichen für die Zukunft gestellt wurden, doch um für viele Schüler/Innen den digitalen Unterricht jetzt zu verbessern, wird es vermutlich nicht reichen.
Auf Fördermittel alleine verlassen viele Schulen sich dabei bereits jetzt nicht, denn die zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel können Schulleiter in Teilen frei einsetzen. Natürlich steht die Digitalisierung hier für viele Schulen im Vordergrund
Der lange Weg zum digitalen Unterrichtsplatz
Trotz der Versäumnisse beim digitalen Ausbau der Schulen konnte die Coronakrise trotz ihrer verheerenden Konsequenzen hier zumindest als Katalysator dienen und dem Thema Digitalisierung in der Schulbildung die notwendige Aufmerksamkeit bringen.
Anbieter wie TdoT.digital helfen Schulen bei der Digitalisierung in Form von einem virtuellen Tag der offenen Türe
Dass Digitalisierung ein so schwieriger Prozess für die Schulen ist, liegt nicht alleine an den Mitteln zum Ausbau, den Schwierigkeiten bei der praktischen Einrichtung und der Ausrüstung der Schüler – auch die Lehr- und Lernkonzepte müssen digital werden, wenn die Digitalisierung mehr als nur Lippenbekenntnis sein soll.
Von den großen Ansatzpunkten wie den Servern und Breitbandanschlüssen in den Schulen über Versäumnisse wie fehlende Dienstrechner und VPNs für Lehrende bis hin zu den Endgeräten für Schüler/Innen herrscht in deutschen Schulen noch viel Nachbesserungsbedarf, ehe Hybridmodelle und Remote Learning wirklich auf dem Stand angekommen sind, auf dem sie sein sollten.
Weitere Informationen:
https://ec.europa.eu/education/resources-and-tools/document-library_en
https://www.zeit.de/digital/2020-11/digitalisierung-schulen-deutschland-eu-vergleich
https://www.mdr.de/sachsen-anhalt/digitalisierung-schulen-sachsen-anhalt-bilanz-abruf-foerdermittel-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/digitalisierung-schule-105.html
https://www.tagesschau.de/inland/digitalisierung-schulen-interview-101.html