Das Rechtswesen muss sich ständig an veränderte Gegebenheiten und neue Technologien anpassen – das gilt auch für seine lokalen Ableger in Unternehmen rund um die Welt. Die Digitalisierung verstärkte diese Notwendigkeit mit einer Flut aus disruptiven Innovationen, neuen Realitäten und globalen Veränderungen, mit denen die Legal Departments schritthalten müssen.
Unser Alltag, unsere Umwelt und unsere Arbeit sind längst digital – und daran wird sich in absehbarer Zukunft auch nichts ändern. Die digitale Transformation ist in vielen Köpfen mit dem Verzicht auf analoge Dokumente verbunden, in der Realität geht sie jedoch viel weiter als bis zum verringerten Papierverbrauch: Generelle Vernetzung von Geräten, Personen und Anwendungen, die breite und günstige Verfügbarkeit von hochgradig leistungsfähigen Endgeräten, umfassende Anwendung komplexer Technologien wie künstliche Intelligenz oder Cloud Computing und die Erhebung und Verarbeitung gewaltiger Mengen von Daten sind die Grundpfeiler dieser umfangreichen Veränderungen.
Während sich diese Umwälzungen über uns ausgießen und Widerstände nach und nach hinwegspülen, sehen sich auch unterschiedliche Unternehmensbereiche genötigt, auf diese Entwicklungen zu reagieren und die eigenen Prozesse, Aufgaben und oft auch das Selbstverständnis anzupassen. Rechtsabteilungen und –Berater finden sich in einer Schlüsselposition wieder, die ihnen abverlangt, souverän mit solchen Entwicklungen umzugehen und sie in ihren Arbeitsalltag zu integrieren.
Digitalisierung im Vertragswesen
Verträge sind die Grundlage unternehmerischer Zusammenarbeit und der Rechtsgeschäfte, die für den reibungslosen Betrieb nötig sind. Es ist daher nur konsequent, diese Basis sicher, zuverlässig und optimal zu gestalten.
Zu diesem Zwecke liefert das Contract Lifecycle Management (CLM) ein System, das den Zugriff auf Verträge, ihre Analyse, Kommunikation, Überarbeitung, Prüfung und vieles mehr erlaubt – und das von überall. Die lokale Ungebundenheit wurde spätestens mit Beginn der Covid-19-Pandemie zu einem wichtigen Faktor in der Rechtspflege und sollte bei zukünftigen Überlegungen grundsätzlich mit einbezogen werden.
Das Prüfen solcher Verträge erfolgt heute bereits durch künstliche Intelligenz und die Auswirkungen sind enorm: Aufgrund der umfangreichen Datenbasis (Millionen von Verträgen rund um die Welt können als „Lernmaterial“ für die KI herangezogen werden) können Abweichungen, Unklarheiten und Optimierungsbedarf zuverlässig erkannt und markiert werden. Die Treffgenauigkeit ist dabei erstaunlich hoch – so hoch, dass entsprechende Systeme als zuverlässiger als menschliche Prüfer betrachtet werden.
Entsprechend der (ungeschriebenen) Grundsätze der Digitalisierung sind CLM Systeme immer erreichbar, können mit jedem Vertrag umgehen und sind einfacher zu verwenden, als es ihre Vorgänger waren. Denn digitale Transformation findet nur statt, wenn ein echter Mehrwert durch die Neuerung generiert wird. Im Vertragsmanagement ist ein Solcher nicht nur durch die vereinfachte Zusammenarbeit, sondern auch die Verbesserung der Arbeitsprozesse und damit verbundener Optimierungen gegeben.
Digitalisierung im Datenschutz
Während die Bedeutung von Daten für den unternehmerischen Erfolg gar nicht hoch genug eingeschätzt werden kann, nimmt auch der Datenschutz einen immer wichtigeren Platz ein. Das Erfüllen der jeweiligen Richtlinien ist nicht nur aus rechtlicher Sicht geboten; auch das Unternehmens-Image ist auf Vermeidung von Datenlecks dringend angewiesen.
Kaum ein Event zerstört den Ruf einer Firma auch heute noch so nachhaltig wie der Verlust von Kundendaten. Wenn private Informationen durch einen Hackerangriff oder schlicht Unachtsamkeit verbreitet werden, ist der Schaden im Ansehen durch Kunden und Geschäftspartner oft kaum zu reparieren.
Die moderne, digitale Rechtsabteilung ist daher ein unternehmensintern vernetzter Knotenpunkt, der sich in enger Zusammenarbeit mit den anderen Einheiten um die Sicherheit der Daten kümmert. Dabei unterliegen verschiedene Informationen auch verschiedenen Richtlinien und Graden der notwendigen Verschlüsselung.
Das Erfassen von Daten entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einem ausgesprochen wichtigen Pfeiler unternehmerischen Erfolgs. In Zeiten globaler Vernetzung, blitzschneller Informationsbeschaffung und allgegenwärtiger Verfügbarkeit sind Endkunden nicht mehr bereit, Produkte und Dienstleistungen zu akzeptieren, die ihnen nicht hundertprozentig zusagen. Dies schließt, neben dem Erbringen der perfekt passenden Leistung zum perfekten Zeitpunkt am perfekten Ort, auch schwer greifbare Faktoren wie das soziale Auftreten eines Unternehmens mit ein. Nur, wer seine Kunden, ihre Meinungen und Verhaltensweisen in- und auswendig kennt, hat eine Chance, im modernen Markt zu bestehen. Die Datenverarbeitung scheint die einzige Möglichkeit zu sein, dieses Ziel zu erreichen.
Gemeinsam mit der IT stellt die Rechtsabteilung sicher, dass alle Speicherorte bekannt sind und mit passenden Sicherheitsmaßnahmen versehen wurden. In enger Abstimmung mit der Kundenbetreuung, dem Call-Center, Marketing und Sales oder anderen Einheiten, die direkt mit Kundendaten arbeiten, werden Richtlinien erarbeitet und Mitarbeiter konstant sensibilisiert. Mit der Personalabteilung wird die Sicherheit von Personalakten und Bewerberdaten geprüft und selbst die Gebäudereinigung wird entsprechend verpflichtet, keine Einsicht in eventuell gefundene Dokumente zu nehmen.
Egal, um welche Abteilung es sich handelt – sie hat unweigerlich engen Kontakt mit dem digitalisierten Legal Department, um den Datenschutz zu gewährleisten.
Die Einführung der europäischen Datenschutzrichtlinie GDPR kann als zentrales Ereignis gesehen werden, dass die Notwendigkeit einer modernen Rechtsabteilung in Zeiten der Digitalisierung verdeutlicht hat. Dieses umfangreiche und mit drakonischen Strafen bewehrte Regelwerk stellte Unternehmen vor eine harte Probe. Während zweifelhafte Berater und selbsternannte Experten von Tür zu Tür zogen, um ihre Dienstleistungen feil zu bieten, waren es tatsächlich die Rechtsabteilungen der mittelständischen Unternehmen, die mit zahlreichen Überstunden für die Umsetzung der Vorgaben gesorgt haben.
In diesem Zuge kamen viele Rechtsexperten erstmalig mit der ganzen Wucht der Digitalisierung in Berührung: Die schiere Menge an Daten und die unterschiedlichen Speicherorte waren ein vernachlässigtes Thema, um das sich nun Anwälte und Rechtspfleger statt Data Analysten und Datenbankarchitekten kümmern mussten. Das Resultat war ein neues Bewusstsein für die Thematik und ein erhöhter Bedarf an technischen Lösungen, dessen Auswirkungen noch heute zu spüren sind.
Eine neue Kategorie von Software, die erst vor wenigen Jahren überhaupt entstand, sind AI-gestützte Datenschutzsysteme. Mit Hilfe von künstlicher Intelligenz werden typische Muster erkannt, die es generell zu schützen gilt. Hierzu zählen etwa Kundennamen, Adressen, Kreditkartennummern aber auch Verträge, sensible Finanzdaten oder Strategiepapiere.
Dokumente, die sich üblicherweise in Zirkulation zwischen Cloud, Intranet, Internet, E-Mail Server usw. befinden, werden auf diese schützenswerten Informationen hin untersucht und mit extrem hoher Präzision erkannt. Die entsprechenden Dateien können anschließend automatisch aus dem Verkehr gezogen und sicher verwahrt werden. Auch das Verschlüsseln oder markieren zur Vorlage bei einem Sachbearbeiter sind möglich.
Derartige Systeme, wie sie von namhaften Herstellern wie Microsoft oder IBM vertrieben werden, bieten einen dauerhaften Schutz vor unabsichtlichen oder kriminellen Datenverlusten. Mit stetig wachsendem Umfang an Daten und einer Vielzahl an Speicherorten kann die Aufgabe des Datenschutzes schnell unüberschaubar werden. Technische Lösungen wie diese können hier große Dienste leisten.
Digitalisierung im Patent- und Markenrecht
Patente sind sicher nicht für alle Unternehmen gleichermaßen relevant. Wer jedoch auf sie angewiesen ist, um sein Eigentum zu schützen oder Nutzungsrechte zu erwerben, wird schnell mit der komplexen und frustrierenden Realität des Patentrechts konfrontiert.
Mit der Blockchain Technologie steht diesem Rechtsbereich eine ungeahnte Revolution bevor: Das System des dezentralen, fälschungssicheren Austauschs von Informationen bietet die Möglichkeit einer einzigen, weltweiten Datenbank für Patent und Markenangelegenheiten. In dieser können Anfragen nachgeschlagen und anhand des Hashcodes umgehend auf Echtheit geprüft werden.
Wer ein neues Patent erwirbt oder einen Markennamen, Logo etc. zur Eintragung vorliegt, hängt diese Information in Form eines weiteren Blocks an die Kette an. Die Vorteile liegen in der weltweiten, eindeutigen Zuordnung von Rechten, da der Erstellungszeitpunkt in der Blockchain zweifelsfrei festgehalten wurde. Spätere Ansprüche anderer Personen können so einfach und final entkräftet werden – die Datenbank hat recht.
Auch das Prüfen von Begriffen hinsichtlich Markenstatus wird mit einer solchen Blockchain vereinfacht. Damit können Unsicherheiten in der Verwendung von Begriffen in Sekundenschnelle behoben werden. Um den Begriff „Webinar“, zum Beispiel, rankt sich in der Wirtschaftswelt seit Jahren die mittlerweile schon ins Mystische abdriftende Legende, es handele sich um einen eingetragenen Markennamen. Mit einer Marken-Blockchain könnte dieser Theorie in per Mouse klick Einhalt geboten werden.
Diese Veränderungen würden jedoch einen Großteil der im Patentrecht beschäftigten Personen überflüssig machen, weshalb trotz der vielen Vorzüge eine starke Lobby gegen den Einsatz der Blockchain Technologie argumentiert. Die tatsächliche Umsetzung bleibt daher leider vorerst fraglich.
Übrigens: „Webinar“ IST ein eingetragener Markenname. Die unrechtmäßige Verwendung wird aber zurzeit nicht verfolgt.
Angst vor digitalem Wandel
Mitarbeiter von Rechtsabteilungen fürchten, wie viele Kollegen aus anderen Bereichen, die Implikationen der Digitalisierung in ihrem Feld. Es liegt darüber hinaus in der beruflichen Natur von Anwälten und Co. die entsprechenden Gefahren neuer Technologien zu prüfen und kritisch zu betrachten. Ein Umstand, der bereits in der Vergangenheit zu großen Widerständen führte.
Diese Angst vor der digitalen Transformation gründet sich dabei meist auf zwei Säulen:
Zum einen die generelle Angst vieler Arbeitnehmer (unabhängig von Branche und Qualifikation), dass sich mit neuen Technologien und Arbeitswesen die eigene Tätigkeit bis zur Unkenntlichkeit wandelt oder schlicht überflüssig wird. Dies sind zwar grundsätzlich berechtigte Sorgen; sie verkennen jedoch den langen Zeitraum, der für diese Veränderungen nötig ist. Neue Aufgaben kommen in leicht zu verdauenden Häppchen zu den bisherigen Hinzu und verdrängen alte, monotone Aktivitäten langsam aus dem Arbeitsalltag. Dies geschieht über mehrere Jahre, sodass auch unmotivierte Arbeitnehmer problemlos durch Weiterbildungen und minimal Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen schritthalten können.
Die zweite Basis von Angst und Ablehnung speziell in Rechtsabteilungen ist der Fokus auf die Betrachtung von Risiken und Problemen, die dem Feld eigen ist. Durch den alltäglichen Umgang mit den negativen Konsequenzen von Veränderungen führt kaum ein Weg daran vorbei, Neuerungen gegenüber generell misstrauisch zu werden. Und an Horror-Szenarien in Bezug auf die Digitalisierung mangelt es nicht!
Da es sich hierbei um ein globales Phänomen handelt und buchstäblich Milliarden Menschen von der digitalen Transformation betroffen sind, finden sich auch reichlich Beispiele von fehlgeschlagenen Techintegrationen, davonlaufenden Kunden oder Mitarbeitern. Ähnlich dem Medienkonzept, dass es fast nur negative Meldungen in die Nachrichten schaffen, haben Negativbeispiele auch hier eine deutlich größere Reichweite und bleiben uns länger und stärker im Gedächtnis. In absoluten, realistischen Zahlen lassen sich diese Befürchtungen aber nicht halten: Digitalisierung schafft unglaubliche Optimierungen und verursacht keine wahrnehmbare Zunahme von Arbeitslosigkeit.
Die Einsicht, dass durch digitale Technologien enorme Vereinfachungen im Alltag einer Rechtsabteilung möglich sind, beginnt leider erst langsam, über die tiefsitzenden – aber letztlich unrealistischen – Angstszenarien zu triumphieren.
Fazit
Die klassische Rechtsabteilung ist ein Bereich mit hohem Anteil an manuellen Tätigkeiten, wie Vertragsprüfungen und genereller Durchsicht von Dokumenten. Also solche profitiert sie in höchstem Maße von den Veränderungen durch die Digitalisierung.
Da sie darüber hinaus auch über Aktenschränke von historischen Daten verfügt, eignet sich der Bereich ausgezeichnet für den Einsatz von künstlicher Intelligenz, da deren Ergebnisse mit steigender Datenbasis immer besser werden. Es ist daher nicht verwunderlich, dass zahlreiche neue Software verfügbar ist, die den Alltag des Legal Departments grundlegend vereinfacht und automatisiert.
Bei der Umsetzung und generellen Empfänglichkeit für neue Technologie und Arbeitsprozesse sieht es hingegen meist noch recht düster aus. Sei es aufgrund der im Rechtsbereich üblichen Kultur oder aufgrund der speziellen Positionen, die diese Abteilungen innerhalb eines Unternehmens innehaben; es handelt sich in vielen Fällen um eine der am wenigsten digitalen Bereiche einer Firma.
Hierdurch haben sich in der jüngeren Vergangenheit zahlreiche Neuerungen angesammelt, die nun alle gemeinsam auf Umsetzung warten. Da es Stück für Stück unmöglich wird, sich diesen Veränderungen zu verweigern, stehen viele Legal Departments plötzlich vor mehreren, tief greifenden Innovationen gleichzeitig. Eine schwierige Situation – schwieriger zum Beispiel als in Fachbereichen, die generell stärker an neuen Technologien interessiert sind und sich konstant erneuern.
Die digitale Transformation macht jedoch nicht Halt. Rechtsabteilungen stehen vor großen Umwälzungen, die nicht einfach zu bewältigen sein werden. Die gute Nachricht ist jedoch, dass die Ergebnisse in Form von erhöhter Produktivität und Einfachheit des Arbeitsalltags spürbar sein werden und so neue, interessante Aufgabenfelder erschließen.