Die Poststelle ist schon in den Jahren vor der Digitalisierung immer weiter aus dem Fokus gerückt und nimmt im Arbeitsalltag vieler Firmen und ihrer Mitarbeiter scheinbar keine wichtige Rolle mehr ein. Tatsächlich war die Hauspost stets an das Arbeiten im Hintergrund gewöhnt – ihre tatsächliche Bedeutung wird dadurch grundsätzlich aber nicht geschmälert.
Es besteht jedoch vielerorts die Gefahr, dass dieser Bereich während der digitalen Transformation schlicht „vergessen“ wird. In den Köpfen vieler verantwortlicher Entscheidungsträger kann die Poststelle durch eine simple Digital-Mailroom-Software ersetzt werden. Diese Vorstellung verkennt jedoch die komplexen Aufgaben: Als Vernetzer, Organisator, Wissensbewahrer und Verteiler sowie Kommunikator bleibt die Abteilung auch künftig wichtig.
Um den einzelnen Aktivitäten und speziellen Bedürfnissen der jeweiligen Branche gerecht zu werden, ist auch hier eine angepasste Digitalisierungsstrategie erforderlich. Welche Aspekte hierbei wichtig sind und wie die Umsetzung in der Praxis aussehen kann, wird im Folgenden beschrieben.
Ausgangslage
Poststellen sind in Wirtschaftsbetrieben mit hohem Kommunikationsaufkommen und großer Anzahl von Dokumenten wichtige Grundpfeiler des Unternehmensaufbaus. So findet man sie etwa in Anwaltskanzleien oder Versicherungen regelmäßig und mit hohem Budget ausgestattet. In kleineren Verwaltungseinheiten erhalten sie hingegen nur wenig Aufmerksamkeit: Häufig werden die postalischen Aufgaben von einem Mitarbeiter oder dem Sekretariat übernommen. Je nach Firma ist auch die Zusammenfassung mit anderen Abteilungen üblich.
Mit dem Einzug der E-Mail als primärem Kommunikationsmittel sank ihre Bedeutung deutlich ab: Die namensgebende Post macht in den meisten Fällen nur noch einen verschwindend geringen Anteil der eigentlichen Tätigkeit aus. Das Management ein- und ausgehender E-Mails wird häufig vom Bereich IT-Infrastruktur übernommen, da hier ohnehin der Betrieb der zuständigen Server und die Sicherheitsprüfung stattfindet.
Neben dem Wegfall von Brief und Paket ist auch die Verwendung von Dokumenten in physischer Form zur absoluten Ausnahme geworden. Da die Rechtspraxis lediglich das Aufbewahren von Eröffnungsbilanzen, Jahres- und Konzernabschlüssen in gedruckter Form vorschreibt, besteht heute kein Grund mehr, Unterlagen in anderer Form als Digital zu speichern.
In einigen Unternehmen haben Poststellen auch die Funktion des Archivs inne. Diese Tätigkeit, wenn auch in digitaler Form, ist daher noch häufig in Kombination mit der Hauspost anzutreffen. Durch geändertes Selbstverständnis und zunehmende Komplexität der modernen Arbeitswelt entwickelte sich vielerorts die Notwendigkeit für ein umfassendes und aktives Wissensmanagement, in dem die Dokumentenpflege oftmals aufgeht.
Die Poststelle und ihre Aufgaben lassen sich insgesamt nur schwer verallgemeinern. Viele in diesem Beitrag angesprochene Aspekte können daher eventuell nicht für alle Unternehmen gelten. Selbst die grundlegendsten Funktionen erleben jedoch die dramatischen Auswirkungen, sodass ein Beleuchten dieses Themas nötig ist.
Gründe für die Digitalisierung
Erhöhte Handlungsgeschwindigkeit, gesteigerte Kundenzufriedenheit und verringert Kosten sind die direkte Folge einer Digitalisierung der Poststelle. Denn die Bearbeitung großer Mengen Dokumente, die heute in digitaler und physischer Form täglich eintreffen, mit bisherigen Methoden ist besonders arbeitsintensiv. Für die hohen Ansprüche hinsichtlich Flexibilität und Qualität eines modernen Unternehmens ist diese Vorgehensweise nicht mehr geeignet.
Briefe, Formulare und Faxe, Rechnungen, Verträge und E-Mails treffen auf unterschiedlichen Kanälen ein und müssen en masse überprüft und zugestellt werden. Neben dem hohen Aufwand an Zeit und Arbeitskraft zeichnen sich traditionelle Arbeitsweisen auch durch eine hohe Fehleranfälligkeit aus, da Unterlagen verloren gehen oder falsch zugestellt werden können. Die Folge sind langsamere Zustellungszeiten, frustrierte Empfänger und Sender. Insbesondere, wenn sich zahlende Kunden auf die schnelle und genaue Bearbeitung ihres Anliegens verlassen, bleibt kein Spielraum für Verzögerungen.
Um diesen Problemen Herr zu werden und die zunehmende Menge an Kommunikation effizient zu managen, setzen Unternehmen und Behörden zunehmend auf „Digital Post Rooms“, also hochgradig automatisierte Varianten der traditionellen Poststellen.
Die digitale Poststelle
Die sogenannte „Post Room Automation“ nutzt Capture-to-Process Technologie, um eingehende Post automatisch zu erfassen, analysieren und letztlich über einen einzelnen Workflow zu verarbeiten. Dies bietet enorme Effizienzsteigerungen, da ein manuelles Bearbeiten eingehender Sendungen überflüssig wird und es keine Rolle mehr spielt, auf welchem Kanal eine Nachricht eintraf.
Die Verarbeitung analoger Post zu digitalen Dokumenten ist dabei ein wichtiger Baustein des Systems. Sie führt Papierunterlagen dem einheitlichen Verarbeitungsprozess zu, um aufwendige Sonderbehandlungen zu vermeiden. Die Erkennung gedruckter oder sogar handschriftlich verfasster Schriftstücke zählt, dank künstlicher Intelligenz, heute zu den einfach zu realisierenden Anwendungen und liefert exzellente Ergebnisse.
Auch verschiedene digitale Dateiformate werden blitzschnell verarbeitet, analysiert und dem passenden Empfänger zugestellt oder im Dokumentenpool abgelegt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine Bilddatei oder eine Excel-Tabelle handelt. Keyword-Untersuchung und Anwendung relevanter Business Rules stellt sicher, dass alles an der richtigen Stelle ankommt.
Ähnliche Verfahren werden heute bereits genutzt, um Archive schnell und simpel zu digitalisieren. Mit der vereinfachten Zugriffskontrolle, die daraus resultiert, lassen sich zum Beispiel Personalakten deutlich einfacher sichern, als dies in der Vergangenheit der Fall war.
Vorteile
Im Gegensatz zu anderen Abteilungen bietet eine Digitalisierung der Poststelle in der Regel leichte Verbesserungen in einer sehr hohen Anzahl an Geschäftsprozessen. Dies bedeutet in Summe eine sehr starke, aber oft nur kaum sichtbare Wirkung, da kein einzelner, intensiver „Wow!“-Effekt vorliegt. Stattdessen lassen sich Produktivitätssteigerungen über das ganze Unternehmen messen, da weniger Zeit für Post und Kommunikation aufgewendet werden muss.
Dies bedeutet, je nach Branche, auch schnelleren Kundendienst, wenn E-Mail oder Postsendungen involviert sind. Insbesondere im Call-Center Bereich erhält die Bedeutung der digitalen Poststelle eine neue Dimension: Per E-Mail gesendete Dokumente im Anschluss auf Telefongespräche können so etwa direkt dem korrekten Fall und zuständigen Mitarbeiter übermittelt werden.
Damit verbunden sind wiederum mögliche Einsparungen, und zwar nicht nur durch den verringerten Zeitaufwand quer über alle Abteilungen; auch an der Arbeitskraft innerhalb der Poststelle selbst kann gespart werden, da menschliche Überwachung kaum noch nötig ist. Daraus resultiert ebenfalls eine verringerte Fehlerquote, die sich in weniger Schäden für das Unternehmen äußert.
Auch die Umwelt dankt es Firmen, da etwa der Papierverbrauch drastisch sinken kann. Wird ein digitales System an mehreren Standorten eingesetzt, ist auch der physische Versand zwischen diesen nicht mehr nötig. Hierdurch können große Mengen CO2 eingespart werden, da Vertrag XY nicht mehr manuell von einer Niederlassung zu einer anderen transportiert werden muss.
Diese Vorzüge münden schlussendlich auch in einer verbesserten Sicherheit der Kommunikation und Dokumente. Dank der zentralen Speicherung und Verarbeitung lassen sich sensible Unterlagen besser vor unbefugtem Zugriff schützen. Auch die Gefahrenabwehr (Phishing Mails etc.) fällt hier leichter.
Probleme
Trotz offensichtlicher Vorteile stehen einige Hindernisse zwischen heutigen Poststellen und der Digitalisierung. Darunter fällt zum einen der speziell deutsche Hang zur übertriebenen Vorsicht: Obwohl die Rechtslage hier eindeutig ist, werden in vielen Unternehmen Dokumente aus Unwissenheit in Druckform vorgehalten. Man möchte auf „Nummer sicher“ gehen und im Zweifel lieber Unterlagen auf Papier im Aktenschrank haben – auch wenn die digitale Datei völlig ausreichend ist.
Dies führt in der Praxis zu ineffizienten, doppelten Prozessen und bremst eine Digitalisierung der Poststelle oft aus.
Auch die oft geringe Größe und Sichtbarkeit führt in der Praxis zu Problemen. Argumente wie „zuerst kümmern wir uns um die wichtigen Sachen“ werden geäußert und Ressourcen zuerst für die Transformation von Fabrikation, Marketing oder Finanzabteilungen bereitgestellt. Dieses Vorgehen verkennt jedoch die Bedeutung von Administrationseinheiten. Auch die Tatsache, dass ein Unternehmen in seiner Gesamtheit modernisiert werden muss, da nur so der nötige Kulturwandel einsetzen kann, wird hierbei ignoriert.
Sonderfall: Dokumenten- und Wissensmanagement
Das Wissensmanagement ist eine recht junge Disziplin, die jedoch für viele Firmen von entscheidender Bedeutung sein kann. Je nach Branche ist gewaltiges Wissen in den Köpfen der Mitarbeiter und den Untiefen ungenutzter Laufwerke gelagert und das Organisieren und verfügbar machen von großem Nutzen.
Aus der Pharmaindustrie ist beispielsweise die Problematik verschiedener Standorte und großer Mengen von nicht erfasstem medizinischem Forschungswissen bekannt. Dies führt oft zu Redundanzen, da Wissenschaftler X nicht weiß, dass sein Kollege Y in einem anderen Land bereits vor Jahren Erkenntnisse gesammelt hat, die nützlich sein könnten.
Die Verwaltung von Dokumenten wurde in vielen Unternehmen schon vor langer Zeit in der Poststelle angesiedelt (oder umgekehrt). Post und Archiv sind daher eine häufig anzutreffende Kombination. Die natürliche Weiterentwicklung des Archivs hin zum umfassenden Wissensmanagement ist daher ein Aspekt, der oft direkte Auswirkungen auf die verbundene Poststelle haben kann.
Hierbei profitiert man von den vielen Möglichkeiten der Digitalisierung, etwa durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz zur automatischen Erfassung von Dokumenten. Dies ermöglicht im Anschluss den Einsatz leistungsfähiger Suchsoftware, mit der auch unstrukturierte Daten nach speziellen Themen analysiert werden können. Auch das intelligente Erweitern des Suchbegriffs auf Inhalte, die das System als möglicherweise verwand einstuft, helfen bei der Erschließung des Wissensschatzes enorm.
Ein dediziertes Wissensmanagement lohnt sich in fast allen Unternehmen, denn die alte Weisheit, dass das Wissen und Mitarbeiter mehr als doppelt so viel Wert hat, wie alle Assets eines Unternehmens, entspricht der Wahrheit. Diese Potenziale nicht ideal zu nutzen wäre ein gefährlicher Missstand.