Digitalisierung in der Praxis: Produktion

Die industrielle Fertigung war schon immer großen Veränderungen unterlegen und hat stets neueste Technologien eingesetzt, um Arbeitsabläufe zu optimieren, günstiger und einfacher zu gestalten. Die vielen Möglichkeiten, die durch die digitale Transformation realisierbar und bezahlbar wurden, sind dabei keine Ausnahme.

Diese digitalen Einflussfaktoren sind: Die dramatisch veränderten Kundenerwartungen, die Verbindung von Geräten untereinander (Connected Devices) und technologischer Fortschritt, der neben der Produktion auch die vor und nachgelagerten Industrien, wie zum Beispiel die Supply Chain, maßgeblich beeinflusst. Die Auswirkungen sind bereits heute deutlich sichtbar und verstärken sich nur noch weiter.

Damit einher gehen viele Vorteile. So können Unternehmen heute schneller auf Veränderungen reagieren oder sie sogar vorhersagen, bevor sie eintreffen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass heute bereits 50 % der Industrieunternehmen in digitale Technologien, wie zum Beispiel künstliche Intelligenz, investieren.

Allgemeiner Überblick

Die digitale Transformation hat in der Industrie längst Form angenommen und wird oft unter dem Oberbegriff „Industrie 4.0“ betitelt. Hierunter werden in erster Linie technologische und prozessuale Veränderungen zusammengefasst. Jedoch sind auch die soziokulturellen Neuerungen – wenn auch weniger stark ausgeprägt als in anderen Branchen – von nachhaltiger Bedeutung.

Zu den Beispielen der Innovation, die durch die Digitalisierung in die Fertigung getragen wird, zählen etwa Künstliche Intelligenz oder das Internet of Things, welches die umfassende Vernetzung von Geräten untereinander beschreibt. Andere Themen, wie Predictive Analytics (auch in der Form von Predictive Maintenance) oder die Nutzung von 5G Netzen haben ebenfalls starke Auswirkungen.

Gemeinsam mit weltweiten Ereignissen wie der politischen Instabilität der USA, der globalen Covid-19-Pandemie und damit einhergehend schwieriger wirtschaftlicher Situation sowie tiefgreifender Veränderungen in den Absatzmärkten (Empowerte Kunden, schnellere Innovationszyklen) ist die gesamte Branche im Wandel befindlich.

Digitalisierung als Herausforderung für die Industrie

Wenn in jedem anderen Feld ist auch in der Produktion die Liste an möglichen Hemmnissen, die eine digitale Transformation blockieren können, lang. Oft ist es gerade das Management, welches die Veränderungen willkommen heißen und forcieren sollte, aber stattdessen ausbremst oder verweigert.

Konkrete Gründe für diese Ablehnung sind zum Beispiel

  • Hohe Anforderungen an die IT-Infrastruktur und die digitale Performance. Die Notwendigkeit neuer Arbeitsweisen (z.B. Agile), neuer Technologien (z.B. Cloud Computing, Big Data) und genereller Investments erscheinen als unlösbare Aufgaben und wirken entsprechend abschreckend.
  • Die Transformation der Herstellungsprozesse stellt hohe Anforderungen an die interne Kommunikation und die Motivation der Mitarbeiter. Andernfalls können die Veränderungen schnell überwältigend wirken.
  • Die Branche ist traditionell besonders sensibel im Hinblick auf finanzielle Herausforderungen, da Gewinnmargen und Aufwände in der Regel bereits bis zum maximal Möglichen optimiert sind. Da die Digitalisierung mit hohen Kosten verbunden ist, entsteht hier eine natürliche Abneigung.
  • Ebenso wie in Sachen Geld sind auch die Arbeitsabläufe zeitlich so optimiert, dass Veränderungen diese gute geölte Maschine leicht durcheinander bringen können. Die umfassenden Neuerungen, die im Rahmen von Transformationsbestrebungen vorgeschlagen werden, erscheinen den Verantwortlichen daher hochriskant.

Erst langsam verbreiten sich Erfolgsgeschichten und Best Practices zu diesen neuen Herausforderungen innerhalb der Branche. Dass sich nach wie vor ausgesprochene Gegner der digitalen Revolution in der Industrie finden, ist daher nicht unbedingt verwunderlich. Die Akzeptanz dieser Neuerungen zeigt sich aber immer mehr als kritische Entscheidung, die über zukünftigen Erfolg bestimmen kann.

Praxisbeispiele

Digitale Transformation in der Fertigung steht für mehr als nur Automatisierung und Erhebung und Nutzung von zusätzlichen Daten. Wie in anderen Branchen auch ist eine grundlegende Veränderung der Einstellung und des Selbstverständnisses nötig, um in den Genuss der Vorteile zu kommen.

Ganz konkret kann dies etwa so aussehen:

  • Der Start einer eigenen Plattform zum Austausch mit den Abnehmern (sowohl im B2B als auch B2C Bereich) ermöglicht Kundenzentrierung durch regelmäßiges Feedback. Technische Verbesserungen und Optimierung der Verkaufskanäle (Konsolidierung auf einen Kanal) erleichtert, verschlankt und beschleunigt den Absatz.
  • Der Einsatz von Big Data liefert neue Erkenntnisse, die sich in Prozessoptimierungen, Einsparungen und Qualitätsverbesserungen bemerkbar machen. Der Einsatz von Machine Learning als schnell umzusetzendes Resultat von besserer Datenerfassung ist ein gutes Beispiel für Technologien mit extrem hohen Potenzial für Industriebetriebe (Steigerung von Produktivität im zweistelligen Prozentbereich sind keine Seltenheit)
  • Predictive Maintenance nutzt Sensoren und Vernetzung aus dem Bereich Internet of Things in Kombination mit Big Data, um den idealen Zeitpunkt für die Wartung von Maschinen zu bestimmen. Die Einsparungen an Wartungskosten und Minimierung von Ausfallzeiten machen sich schnell bemerkbar. Das Prinzip der datengestützten Vorhersage lässt sich darüber hinaus auch zur Optimierung von Arbeitsprozessen anwenden und hat enormes Potenzial.
  • Wearables unterstützen menschliche Arbeiter im Produktionsprozess und erhöhen Produktivität, Sicherheit und Jobqualität. Augmented Reality Brillen kommen zum Beispiel in der Lagerhaltung zum Einsatz, wo sie den Mitarbeitern den schnellsten Weg zu einem Lagerplatz projizieren und die Entnahme/Einlagerung eines Guts automatisch erfassen. Mit dem gleichen Prinzip sind auch Fahrzeuge, sowohl auf dem Werksgelände als auch weltweit, erfassbar und ihre Routen zu optimieren. Lieferdienste nutzen diese Methode bereits heute mit großem Erfolg und dienen als Beispiel.

Wichtige Technologien für die Digitalisierung in der Industrie

Industrie 4.0

Die „vierte industrielle Revolution“ verbindet Produktion und Digitalisierung. Ihr hauptsächlicher Ansatzpunkt ist die Automatisierung und Real-Time-Erfassung aller Arbeitsprozesse. Als Überbegriff umfasst dieses Konzept wiederum weitere Teile, die oft selbst Sammelbegriffe darstellen.

So fallen etwa das Internet of Things, Big Data, Machine Learning, Predictive Analytics, Künstliche Intelligenz und weitere Schlagworte unter den Schirm der Industrie 4.0. Diese Ansammlung modernster Technologien und Systeme lässt den Begriff schnell schwammig erscheinen. In seiner einfachsten Auslegung lässt er sich jedoch als „Digitalisierung der Industrie“ zusammenfassen.

Internet of Things

Das IoT ist eine Schlüsseltechnologie der Industrie 4.0 und der digitalen Transformation allgemein. Es beschreibt die Verbindung von greifbaren Objekten durch ein Netzwerk und deren Kommunikation untereinander. Ausgetauscht werden hierbei eine Vielzahl an Informationen, da das Angebot an Sensoren, die in das Netzwerk integriert werden können, extrem groß ist.

Innerhalt des Netzwerkes werden die erfassten Daten algorhithmisch verarbeitet und entsprechende Ableitungen getroffen. Fertigungsanlagen, die über ein gut eingespieltes IoT Konzept verfügen, können so einen bisher ungeahnten Grad an Automatisierung erreichen.

Machine Learning

Die gewaltige Menge an verfügbaren Daten ist mit bisherigen Systemen kaum noch zu verarbeiten. Glücklicherweise bietet sie die perfekte Basis für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Ein Teilbereich hieraus ist das Machine Learning, bei dem ausgeklügelte Algorhithmen zum Einsatz kommen, um aus riesigen Datenmengen sinnvolle Handlungsempfehlungen abzuleiten.

Hierbei können bisherige Erkenntnisse präzisiert und völlig neue gewonnen werden, was zu Leistungsvorteilen und hohen Einsparungen führt. Das Voraussagen von Ereignissen zählt dabei zu den beeindruckendsten Funktionen und liefert besonders wertvolle Erkenntnisse, die zur Gefahrenvermeidung, Prognoseerstellung, Verbesserung der Arbeitsqualität und vielem mehr eingesetzt werden können.

Robotic

Während die generelle Form und Aufgaben künftiger Roboter nicht übermäßig von aktuellen Modellen abweichen werden, ist eine gewaltige Veränderung in Verhalten und Qualität abzusehen. Durch intelligente Erkennungsmuster und die Lernfähigkeit moderner Systeme werden zusehends bessere Ergebnisse erzielt.

Dank der steigenden Anzahl verbundener Systeme und Sensoren und den Daten, die durch selbige (und deren Interaktion) erzeugt werden, vervielfacht sich die zur Verfügung stehende Informationsgrundlage. Innovative, extrem leistungsfähige Technik ist die Folge.

Positive Effekte der Digitalisierung in der Fertigung

In Anbetracht des großen Hypes um die Digitalisierung in der Produktion ist es nur logisch, dass entsprechend attraktive Vorteile auf Unternehmen warten, die sich dieser Herausforderung stellen. Diese positiven Effekte befeuern das allgemeine Interesse an Industrie 4.0 und lassen sich grob aufschlüsseln:

Bessere Nutzung der eigenen Daten

Unternehmen „wissen“ generell mehr, als sie im tagtäglichen Arbeitsablauf einzusetzen in der Lage sind. Die Probleme bei der Zusammenführung und Auswertung verschiedener Datenquellen war Strategen und Data Scientists gleichermaßen lange ein Dorn im Auge. Durch verbesserten Umgang mit den eigenen Ressourcen und den Technologien der Big Data Welt kann der oft umfangreiche Wissensschatz in Firmen endlich genutzt werden.

Verbesserte Geschäftsprozesse

Prozessoptimierung war schon lange Zeit ein lohnendes Feld, erreichte aber in den letzten Jahren eine Grenze der Nützlichkeit. Sind alle Prozesse erfasst und optimiert, gibt es nur noch wenig Neuerungen zu realisieren.

Mit der Digitalisierung halten neue Technologien in die Branche Einzug und wirbeln auch das Business Process Management durcheinander. Echtzeit-Monitoring und ein bisher ungeahntes Arsenal an Sensoren und vernetzter Objekte ermöglicht die Gewinnung neuer Einblicke. Die operative Umsetzung wird um neue Möglichkeiten erweitert und führt zu besseren Ergebnissen.

Prozessspezialisten erhalten so neue Werkzeuge, die ihnen dabei helfen, Arbeitsabläufe zu erneuern und zu optimieren.

Mehr Innovation

Innovation erzeugt Innovation. Der Einsatz neuer Technologien erlaubt ein Aufbauen auf eben diesen und das Heben weiterer Potenziale, denn die neuen Möglichkeiten beflügeln IT-Experten, Ingenieure, Manager, Data Scientists und viele mehr. Die Digitalisierung beschleunigt sich somit selbst, indem sie Innovatoren das nötige Werkzeug an die Hand gibt.  

Da es sich hierbei um ein globales Phänomen handelt, lassen sich die gleichen Auswirkungen auch bei Partnerunternehmen, Kunden und Zulieferern beobachten. Auch hier finden gegenseitige Verstärkungseffekte statt, die fruchtbaren Boden für Innovation liefern.

Bessere Arbeitsweisen

Neue Technologien erlauben das intelligente Monitoring, Wartung, Problemlösung und Optimierung. Damit lassen sich Nachteile in bestehenden Modellen beheben. Outsourcing und Nearshoring werden plötzliche valide Optionen für Unternehmen, die vor diesen Methoden oft aus gutem Grund zurückgeschreckt sind. Ebene jene Gründe lassen sich durch die Digitalisierung jedoch schnell und einfach aus der Welt schaffen.

Arbeitsweisen wie etwa „Agile“ verändern Branchen nachhaltig, indem sie Mitarbeitern und Führungskräften neue Perspektiven und Möglichkeiten bieten. Dabei sind nicht nur die Ergebnisse von Frameworks wie SCRUM oder Extreme Programming herkömmlichen Hierarchien oft weit überlegen; sie bilden auch neue Anreize für die Angestellten, fördern Experten und ermöglichen persönliches Wachstum.

Kundenzentrierung

Die Idee, den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, scheiterte in der Praxis oft am fehlenden Wissen über selbigen Kunden, seinen Wünschen und Meinungen. Diese Zeiten sind mit der digitalen Transformation endgültig vorbei.

Das Ergebnis ist eine umfassende Kenntnis der Konsumenten und erstmals die Möglichkeit, jederzeit direkt und flexibel anhand dieses Wissens zu handeln.

Was es dafür braucht

Die Digitalisierung ist ein Bestandteil unseres beruflichen wie privaten Lebens, dem man sich nicht effektiv verweigern kann. Da Zulieferer, Abnehmer, Privatpersonen, Verwaltungen, Banken, Händler… schlicht: jeder die Auswirkungen dieser Transformation spürt und sein Bestes gibt, ihnen zu folgen, wird das gleiche auch in der fertigenden Industrie erwartet.

Das Innovieren anhand der Stoßrichtung der Digitalisierung wird daher zur absoluten Pflicht.

Aufgrund der extremen Breite dieser Veränderungen und den Millionen von Unternehmen und Personen, die sie betrifft, haben sich glücklicherweise längst Best Practices für jede Branche herausgebildet. Und auch, wenn dubiose Berater in Verkaufsgesprächen gerne das Gegenteil behaupten, ist noch Zeit, um mit der Anpassung an diese neue Realität zu beginnen.

Andererseits lässt sich nicht abstreiten, dass die Uhr tickt: Wer die Zeichen der Zeit ignoriert kann den Anforderungen des Marktes nicht mehr gerecht werden. Eine Entwicklung, die an vielen Stellen zu beobachten ist und Unternehmen reihenweise zum Verhängnis wird.

Wer sich jedoch auf die „Digitalen Grundpfeiler“ – Vernetzung von Komponenten, umfangreicher Einsatz von Daten, Nutzung moderner Technologien – besinnt, kann schnell erste Früchte der Transformation ernten.