Das Einzelhändlersterben in deutschen Innenstädten scheint unaufhörlich voranzuschreiten. Zu mächtig wirkt die Konkurrenz aus dem Internet. Locafox, ein junges Start-up Berlin, hat einen Online-Marktplatz entwickelt, der die Online- und Offlinewelt miteinander vereint: Konsumenten finden auf der Plattform Produkte, die sie anschließend bei einem Händler um die Ecke kaufen können. Locafox zeigt dabei die Geschäfte, die ein gesuchtes Produkt verfügbar haben und bietet einen Reservierungsservice an. ECB sprach mit Fabian Friede, CMO und Mitbegründer von Locafox, über die Idee dahinter, das heutige Kaufverhalten von Kunden und die Vorteile des lokalen Handels.
ECB: Hallo Fabian. Danke, dass du Zeit für ein Interview gefunden hast. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, Locafox zu gründen?
Fabian Friede: Mehrere Studien zeigen, dass Verbraucher sich zunächst im Internet über Produkte informieren, die sie anschließend im stationären Einzelhandel kaufen gehen. Dabei sind die Kunden allem auf der Suche nach spezifische Informationen wie Preis und Produktverfügbarkeit. Diese Nachfrage kann oft nicht gedeckt werden, denn online gibt es kaum Möglichkeiten für den Kunden, die spezifischen Informationen für den stationären Handel zu erhalten. Das ist ein Problem, vor dem jeder von uns schon mal gestanden hat. Vergangenes Jahr zum Beispiel suchte ich für eine anstehende Hochzeit dringend ein neues, weißes Hemd. Natürlich war die Hochzeit schon länger geplant, doch ich war – wie es so ist – spät dran. Ich wusste genau, welche Marke und welche Größe ich wollte, doch wo in Berlin und zu welchem Preis ich es bekommen kann, darauf hat mir meine Recherche leider kein Ergebnis geliefert. Ich hatte auch nicht mehr die Zeit, von Geschäft zu Geschäft zu laufen, in der Hoffnung, im sechsten Geschäft eben dieses Hemd zu finden. Letztendlich bin ich in meinem alten Hemd zur Hochzeit gegangen. Aber genau aus solch einer ähnlichen Situation heraus ist die Idee zu Locafox entstanden.
ECB: Aktuell liest man viel von Kleinhändlersterben, auch größere Ketten wie Görtz klagen über schwindende Kunden und geben dem Online-Handel die Schuld. Wie beurteilt ihr diesen Trend?
Fabian Friede: Es ist richtig, dass sich das Kaufverhalten der Kunden in den vergangenen Jahren verändert hat – das Internet hat hieran einen entscheidenden Anteil, so wie das Web auch in anderen Bereichen unser Leben und unsere Gewohnheiten verändert hat. Wir sprechen hier von derzeit circa zehn Prozent und voraussichtlich 15 Prozent des Gesamteinzelhandelsumsatzes im Jahr 2020, die der reine E-Commerce ausmacht. Beachtlicher ist jedoch, dass 84 Prozent der Suchanfragen im Internet einen lokalen Bezug haben. Der Kunde möchte also seinen Bedarf lokal decken und sucht deshalb online nach Informationen. Leider ist der stationäre Handel bisher nicht in der Lage, ihm in dem Umfang dabei zu helfen, wie er es gerne hätte. Während der Kunde bereits die Verknüpfung von Online- und Offline-Welt wie selbstverständlich nutzt, tut sich der Stationärhandel damit immer noch sehr schwer. Viel zu häufig wird das Internet nicht als Chance gesehen, die Kunden für sich zu gewinnen, sondern als böses Medium, das die Kunden wegschnappt. Deshalb ist es auch nicht sonderlich verwunderlich, dass eben genau das derzeit häufig passiert: Die Kunden werden von den großen Online-Shops abgegriffen, weil sie ihnen gewisse Informationen zu gewünschten Produkten zur Verfügung stellen, die sie suchen. Es liegt also am stationären Handel selbst, hier die Initiative zu ergreifen.
ECB: Welche Stärken und Vorteile haben lokale Händler? Was können lokale Händler besser machen als der Online-Handel?
Fabian Friede: Der stationäre Händler ist klar im Vorteil, wenn es um die Themen Beratung und Service geht. Die Kunden schätzen an lokalen Einzelhändlern die Nähe zum Produkt, dass sie es anfassen können und ein nettes Gespräch mit dem Verkäufer halten können, der sie gleichzeitig kompetent beraten kann, weil er Experte auf seinem Gebiet ist. Auch persönliche Erfahrungswerte der Fachverkäufer zu einem Produkt sind deshalb Gold wert. Ein guter Einzelhändler zeichnet sich dadurch aus, dass er zwischen den Interessen des Kunden und seinen eigenen einen Kompromiss findet. Er muss ein Experte sein, was seine Produkte angeht und dem Kunden das Produkt anbieten, das dessen Wünschen und Bedürfnissen am nächsten kommt. Zudem ist die direkte Verfügbarkeit ein Kernkriterium: Der Kunde möchte das Produkt oftmals sofort mit nach Hause nehmen, nachdem er sich für das Produkt entschieden hat. Bei Online-Shops muss er meistens mehrere Tage warten, bis er das Produkt letztendlich in den Händen hält und sein Eigen nennen kann. Auch kann der Kunde das Produkt, zum Beispiel im Fall von Bekleidung, im Laden anprobieren. Das minimiert die Anzahl der Reklamationen und Rückgaben, weil ein Produkt doch nicht gefällt, um ein Vielfaches.
ECB: Aktuell gibt es viele Apps, die dem Kunden z. B. das Abfotografieren von Produkten und Barcodes erlauben, um es online billiger zu kaufen. Wie sollten lokale Händler auf dieses Phänomen reagieren?
Fabian Friede: Der Preis eines Produkts ist, so erstaunlich das auch klingen mag, für den Kunden häufig zunächst gar nicht so ausschlaggebend für den Kauf. Qualität, direkte Verfügbarkeit und ein umfassender Service mitsamt individueller Beratung spielen bei der Kaufentscheidung oft eine sehr große Rolle. Speziell stationären Kunden sind diese Punkte deutlich wichtiger als nur der Preis. Die Preisvergleich-Apps können deshalb auch eine Chance für die stationären Händler sein – wenn man sie richtig einzusetzen weiß. So wäre es zum Beispiel möglich, den Kunden mithilfe der App auf ein Angebot in seiner Nähe via Push-Benachrichtung aufmerksam zu machen, auf das er vielleicht sonst gar nicht aufmerksam geworden wäre. Solche Apps machen den Kunden erst zum Cross-Channel-Kunden. Allerdings sind solche Kunden auch besser informiert als je zuvor: Durch ihre Mobilgeräte lassen sich Informationen über ein Produkt immer und überall abrufen. Aufgabe des Verkäufers ist es heute mehr denn je, mehr über seine eigenen Produkte zu wissen als der Kunde. Das klingt einfach, doch viel zu häufig erleben Kunden schlecht geschultes Verkaufspersonal. Auch ist das Produkt im Laden sofort verfügbar. Nachdem der Kunde die Kaufentscheidung getroffen hat, kann er es sofort mitnehmen, wohingegen er bei einem Online-Shop oft mehrere Tage darauf warten muss, bis er das Produkt sein Eigen nennen kann. Das ist ein klarer Vorteil des stationären Handels.
ECB: Was muss der Händler tun, um bei euch auf der Plattform vertreten zu sein? Welches Kostenmodell habt ihr?
Fabian Friede: Im Idealfall hat er ein Warenwirtschaftssystem, das seine Daten, also Produktverfügbarkeit und dazugehöriger Preis, per Datenfeed an Locafox sendet. Berechnet wird über ein Provisionsmodell, wobei wir am Umsatz aller reservierten und verkauften Produkte beteiligt sind.
ECB: Wie sieht es mit dem Endverbraucher aus: Was muss er tun, um eure Plattform nutzen zu können und welche Vorteile bietet ihm Locafox.de?
Fabian Friede: Für den Endkunden ist Locafox komplett kostenlos. Unser Ziel ist es, ihm einen Service bieten, mit dem er alles findet, was er kaufen kann. Er muss nicht mehr von Geschäft zu Geschäft laufen, wenn er zum Beispiel ein spezielles Paar Schuhe sucht, sondern wir zeigen ihm, wo in seiner Umgebung er dieses findet und wie teuer es ist. Er kann es mit Locafox reservieren und dann in dem Geschäft abholen. Später wird es auch möglich sein, dass er sich das Produkt per Same-Day-Delivery innerhalb von wenigen Stunden nach Hause liefern lässt.
ECB: Sprechen wir noch gerne über das Unternehmen selbst. Was dürfen wir in nächster Zeit von euch erwarten?
Fabian Friede: Momentan befinden wir uns in der offenen Beta-Phase. Wir sind gerade dabei, die Dichte der Angebote und Einzelhändler auf unserer Plattform zu erhöhen. Unsere Vision ist es, alle Händler und alle Produkte auf einer Plattform zu vereinen. Hieran arbeiten wir jeden Tag.
ECB: Danke für eure Zeit; die letzten Worte sollen von euch an unsere Leser gehen.
Fabian Friede: Immer daran denken: Online finden, im Geschäft kaufen. 😉
Zur Person:
Fabian Friede ist CMO und Mitgründer von Locafox. Zuvor war der gebürtige Hamburger u. a. Global Head of Conversion Optimization bei Rocket Internet und Hauptverantwortlicher für Online Marketing und Customer Relation Management bei THE ICONIC in Australien.